Praxisbeispiel: Schnittanpassungen Jersey-Bleistiftrock
Nachdem ich im ersten Teil die allgemeinen Schnittanpassungen erläutert habe, zeige ich nun im Praxisteil die Anpassungen eines Schnittmusters in Gr. M an meiner Schneiderpuppe.
Das Schnittmuster dieses Tutorials findest du im Shop:
Bleistiftrock für Strickstoffe
Passend für alle Gelegenheiten
Der Mehrgrößenschnitt enthält die Größen XS – 4XL.
Das Schnittmuster gibt es in meinem Shop.
Kurvenlineal und Maßband
Für die Schnittmuster-Anpassungen braucht man Maßband, Stifte, Kurvenlineal oder Hüftbogen, Klebeband und ein langes Lineal. Die Lineale kann man z. B. günstig als Set bei Amazon* erwerben. (* Affiliate Link zu Amazon.)
Beurteilung Probemodell
Vor den Schnittmuster-Anpassungen habe ich ein Probemodell aus Jersey in Gr. M genäht, und in verschiedenen Ansichten fotografiert. An diesem Schnitt wurden noch keine Änderungen durchgeführt. Dies zeigt deutlich die Problemzonen, an denen man das Schnittmuster anpassen sollte.
Meine Schneiderpuppe hat ungefähr die Größe 40/42 und geringere Längenproportionen für eine kleine Frau mit ungefährer Körpergröße von 1,60 m. Diese kurze Körperlänge macht sich in einer kleineren Hüfttiefe und einer geringeren Rückenlänge bemerkbar.
Die Rückenlänge ist für einen Rock nicht wichtig, aber dadurch wirkt die Schneiderpuppe insgesamt gedrungener. Diese Schneiderpuppe entspricht ungefähr meinem Maßen.
- In der Ansicht von vorne fällt die zu große Spannung über der Hüfte auf und der Rock wirkt insgesamt etwas zu eng.
- Auf dem Bild der Rückansicht wird die Hüfte zu stark beton, was vermutlich auf eine zu lange Hüfttiefe hinweist.
- Auf dem Bild von der Seite kann man gleich mehrere Probleme erkennen: Der Rock ist am Po und über dem Bauch zu eng und der hintere Rocksaum wird hochgezogen.
Im folgenden Praxisbeispiel zeige ich alle Änderungen, die ich mache und nähe einen Bleistiftrock mit einem dicken winterlichen Strickstoff.
Vorlage: Schnittmuster-Anpassungen für den Bleistiftrock
Wenn du auch das Schnittmuster für den Bleistiftrock anpassen willst, kannst du dir die Vorlage (PDF) für die Schnittmuster-Anpassungen herunterladen und ausdrucken. In ihr findest du die Messanleitung und die Tabellen für die Schnittmuster-Anpassungen.
Vorlage
Schnittmuster-Anpassung
Speichere dir die Vorlage zum Drucken.
Maßnehmen
Alle Änderungen des Schnittmusters werde ich mit den Maßen meiner Schneiderpuppe zeigen. Sie entspricht ungefähr den Maßen einer kleinen Frau mit 1,60 m und mit Kleidergröße 40/42.
Taillenumfang: Das ist der Umfang der Taille ander schmalsten Stelle.
Taillenumfang gemessen: 77 cm
Hüftumfang/Hüftweite: Das ist der Umfang der Hüfte ander breitesten Stelle.
Hüftweite gemessen: 101 cm
Hüfttiefe: Das ist der Abstand von der Taillebis zur Hüfte.
Hüfttiefe gemessen: 17,8 cm
Vergleich mit der Maßtabelle
In der Vorlage zur Schnittmuster-Anpassung ist eine Tabelle enthalten, die ich für die Abweichungen und Berechnungen verwende:
Ich trage zunächst alle gemessenen Maße in die Spalte »Maß« ein, damit ich sie vergleichen kann.
- Die Kleidergröße, die meinen Maßen am ähnlichsten ist, trage ich in die Spalte »Größe des Schnittmusters« ein, damit ich weiß, mit welcher Größe ich arbeiten will.
- In der Spalte »Maß des Schnittmusters« trage ich die Zentimeter-Maße des Schnittmusters ein.
- Die Unterschiede zwischen gemessenen Maßen und der Maßtabelle erfasse ich in der Spalte »Unterschied«.
- In der Spalte »1/4 Unterschied« werden die Abweichungen pro Schnittteil berechnet und erfasst. Ein Schnittteil stellt immer nur 1/4 des Umfanges dar, deshalb muss man die Maße des Umfanges wie z. B. Taille und Hüfte durch 4 teilen.
- In der Zeile der »Knietiefe oder Rocklänge« trägt man die gewünschte Rocklänge ein. Sie ist auch als Maß auch in der Maßtabelle zu finden. Weil ich im Beispiel die Hüfttiefe verändere, ändert sich automatisch auch die Länge des Rockes. Deshalb ist hier eine Änderung notwendig und ich trage das Maß des Schnittes nicht ein.
Anpassung des Schnittmusters
Als Ausgangsbasis dient mir das Schnittmuster in Gr. M.
1. Hüftweite anpassen
Mit den Passzeichen an der Hüfte für Gr. M zeichne ich zunächst die Hüftlinie mit einer waagerechten Linie auf dem Vorderrock und Hinterrock ein.
Nun folgt die Vergrößerung der Hüftweite:
Die Berechnung für die Zugabe an der Hüfte habe ich bereits in der Tabelle durchgeführt. Zur Erinnerung zeige ich sie aber nochmal auf dem Schnittmuster.
Die Hüftweite vergrößert sich an den Seitennähten um jeweils 0,25 cm. Maß im Schnittmuster: 100 cm – Körpermaß gemessen: 101 cm. Die Abweichung teilt man durch 4 und berechnet damit die Erweiterung je Seite um 0,25 cm.
Da der Bleistiftrock eine 1 cm Nahtzugabe an den Seitennähte enthält, muss diese hinzugerechnet werden. Von der vorderen oder hinteren Mitte beträgt der Abstand zur Seitennaht nun 26,25 cm.
An den Seitennähten die Vergrößerung markieren.
2. Taillenweite anpassen
Der Einschnitt an der Taillenlinie markiert den Beginn der Taille an der Seitennaht.
Da das Schnittmuster bereits die Nahtzugabe für den Taillenbund von 3 cm enthält, muss man auch hier die Taillenline über den Vorder- und Hinterrock einzeichnen.
Nun folgt die Vergrößerung der Taillenweite:
Die Berechnung für die Zugabe an der Taille habe ich wie zuvor in der Tabelle durchgeführt, zeige sie aber zur Erinnerung erneut auf dem Schnitt.
Die Taillenweite wird an jeder Seite um 0,5 cm erhöht.
Der Abstand von der vorderer oder hinterer Mitte beträgt nun 20,25 cm inklusive Nahtzugabe.
Die Nahtzugabe an der oberen Taille (für das Gummiband) muss man ebenfalls erweitern. In diesem Fall 0,5 cm je Seite. Dies entspricht der Vergrößerung der Taillenweite je Seite.
3. Hüfttiefe verringern
Die Hüfttiefe der Schneiderpuppe ist 2 cm geringer, als das Standard-Maß des Schnittmusters.
Zur Erinnerung: Der Unterschied von gemessenem Maß mit 17,8 cm und der Hüfttiefe in der Maßtabelle mit 19,8 cm beträgt 2 cm.
Um diese Änderung vorzubereiten, zeichnet man eine Linie 2 cm oberhalb der Hüftlinie als neue Hüftlinie ein.
Der Bereich zwischen den beiden Linien, in der obigen Zeichnung rot markiert, wird dabei entfernt.
Für diese Änderung schneidet man das Schnittmuster an der neuen Hüftlinie (blaue Linie) auseinander.
Nun schiebt man das untere Teil unter das obere, bis beide Linien aufeinander treffen, und verbindet beide Teile mit Klebestreifen. Dies entfernt die 2 cm in der Hüfttiefe.
Am Schnittmuster muss man jetzt die Seitenlinen ausgleichen und neu einzeichnen.
Dafür verbindet man die neuen Markierungen mit den erweiterten Maßen des Hüft- und Taillenumfanges, um die neue Seitenlinie zu erhalten.
- Die Erweiterung der Nahtzugabe (Taille mit Gummiband) mit einer Linie verbinden.
- Die Hüftrundung anhand der neuen Markierungen für die Taille und Hüfte mit einem Kurvenlineal oder Hüftbogen neu einzeichnen.
- Die Änderungen auf beide Rockteile übertragen.
4. Rocklänge ändern
Nach einer Änderung der Hüfttiefe oder wenn das Rockschnittmuster zu lang oder zu kurz ist, muss man die Rocklänge neu bestimmen.
Die Rocklänge im Beispiel sollt am fertigen Modell 45 cm ab Taille betragen.
- An der vorderen Mitte des Rockes zeichnet man zunächst im Abstand von 3 cm die Nahtzugabe für das Gummiband ein.
- Nun wird die neue Rocklänge von 45 cm unterhalb der Nahtzugabe gemessen und markiert.
- Unterhalb der gewünschten Länge fügt man nun die Saumzugabe mit 2 cm hinzu.
- Als letzten Schritt überträgt man die Änderungen für den Saum auf den Hinterrock.
Mit dem letzten Schritt der Schnittmuster-Änderung beginne ich jetzt mit dem Zuschneiden des Probemodell.
5. Probemodell zuschneiden
Ist der Rockschnitt an die neuen Maße angepasst, sollte man zunächst ein Probemodell nähen, um alle Änderungen zu prüfen.
Bei Probemodellen arbeite ich gerne mit einer erweiterten Nahtzugabe und füge den Seitennähten und dem Saum einen weiteren cm hinzu.
Für dieses Beispiel habe ich die Anpassungen auf Schnittmuster-Papier durchgezeichnet, und die zusätzliche Nahtzugabe von 1 cm den Seitennähten und dem Saum hinzugefügt.
Eine erweitere Nahtzugabe ist immer hilfreich, um notfalls Änderungen bei der Anprobe durchzuführen. Falls das Schnittmuster zu eng ist, kann man problemlos etwas Weite hinzugeben.
Ähnliches gilt für den Saum, wenn er am Bauch oder über dem Po hochgezogen wird, dann kann man ihn noch etwas ausgleichen.
Vorder- und Hinterrock im Stoffbruch zuschneiden.
6. Probemodell heften
Zur Vorbereitung zum Heften den Vorderrock auf den Hinterrock legen und die Seitennähte mit Stecknadeln feststecken.
An der Nähmaschine einen Geradstich mit Stichlänge 4 – 5 zum Heften einstellen und die Seitennähte nähen.
7. Anprobe
Mit dem Probemodell kann man nun die erste Anprobe durchführen. Dafür den Rock nicht wenden, sondern auf links anziehen.
Durch die Verkürzung der Hüfttiefe und Hinzugabe von Weite an Taille und Hüfte wirkt der Rock nicht mehr zu eng.
Der Blick auf die Seite zeigt, dass der Rock deutlich entspannter an der Hüfte sitzt. Momentan steht er an der Taille noch etwas ab, weil der Rockbund fehlt.
Wenn z. B. die Hüftrundung nicht exakt der eigenen Rundung entspricht, kann man jetzt direkt mit dem Nachbessern der Passform beginnen. Dafür stecke ich mit Stecknadeln eine verbesserte Rundung in den Stoff und teste, ob weitere Optimierungen notwendig sind.
Auch die Weite oder Passform des Rocksaums kann man korrigieren, und steckt die Mehrweite einfach ab.
8. Korrektur des Probemodells
Im nächsten Schritt erfolgt das Feintuning der Hüftrundung und Korrektur des Saums. Dies sind die Änderungen, die ich bei der Anprobe festgestellt und in den Stoff gesteckt habe.
In diesen Beispielen habe ich bei beiden Änderungen den Rock an den gezeigten Stellen enger gemacht. Falls dein Probemodell zu eng ist, kannst du auf die gleiche Weise den Rock an den benötigten Stellen weiter machen und die Heftnähte auftrennen und korrigieren.
Die abgestecken Bereiche nähe ich mit einer neuen Heftnaht nach, um eine weitere Anprobe vorzubereiten.
Ist die neue Heftnaht genäht, macht ich eine weitere Anprobe.
Falls notwendig, kann man weitere Korrekturen vornehmen und die Passform erneut mit der oben gezeigten Methode verändern.
Wenn man mit den nachträglichen Änderungen zufrieden ist, sollte man sie im Anschluss auf das Schnittmuster übertragen.
9. Bleistiftrock nähen
Nähen der Seitennähte
Entlang der Heftnähte habe ich meinen Rock genäht und anschließend die Heftnähte aufgetrennt und entfernt.
Die Seitennähte am Rock habe ich bei diesem dicken Strickstoff mit einem kleinen Zickzackstich (Stichlänge 2 und Stichbreite 2) genäht. Für die Verarbeitung mit der Overlock und einer zusammengefassten Seitennaht ist mir der Stoff zu dick.
Mit der Overlock habe ich dann die Seitennähte versäubert und gleichzeitig die Nahtzugabe gekürzt.
Nach dem Nähen die Nahtzugabe vorsichtig auseinanderbügeln. Bügelt man mit zu viel Druck, kann sich die Versäuberungsnaht auf die rechte Stoffseite durchdrücken. Ist der Stoff sehr empfindlich, lege ich gerne Geschirrtuch zum Bügeln auf den Stoff. Das verhindert, dass die feinen Fasern beschädigt werden und sorgt dafür, dass der Stoff nicht blank wird.
Taillenbund nähen
Das 3 cm breite Gummiband habe ich in der Länge meines Taillenumfanges zugeschnitten und 3 cm Nahtzugabe hinzugegeben. Vor dem Zuschneiden sollte man ausprobieren, ob die Länge für die Taille angenehm ist oder man etwas mehr oder weniger Weite benötigt.
Je nach Festigkeit des Gummibandes kann die Länge variieren, da nicht alle Gummibänder auf die gleiche Weise dehnen.
Das Gummiband stecke ich 3 cm übereinander und sichere es mit Stecknadeln.
Mit Zickzack-Stich werden die beiden Enden aufeinander genäht.
Bevor man das Taillengummi steckt, unterteilt man die Taille und das Gummiband in 4 gleiche große Abschnitte.
Dann wird das Gummiband verteilt auf die linke Stoffseite der Taille gesteckt.
Mit der Overlock habe ich das Gummiband knappkantig aufgenäht . Das Gummiband dabei leicht dehnen, dass keine Falten entstehen.
Mit der Nähmaschine kann man das Gummiband sehr gut mit Zickzack-Stich oder Overlock-Stich an der Stoffkante aufnähen.
Anschließend klappt man den Taillenbund nach innen und steckt ihn mit Stecknadeln fest.
Jetzt wird mit Zickzack-Stich oder besser einem Dreifach-Zickzack-Stich der Taillenbund auf der rechten Stoffseite abgesteppt. Dabei dehne ich das Gummiband erneut, damit keine Falten entstehen.
Ist der Stoff sehr dick oder rutschig, kann man diese Naht sehr gut mit einem Obertransport-Fuß nähen.
Meine Standard-Einstellung zum Absteppen mit dem genähten Dreifach-Zickzack-Stich ist Stichlänge 1,5 und Stichbreite 5,5.
Abgesteppt wird direkt auf der vorherigen Naht. Von innen kann man das sehr gut erkennen.
Der Stich lässt sich auf der rechten Seite des Stoffes kaum erkennen und wird beinahe in den Wollstoff verschluckt.
Saum nähen
Am Ende steht die Fertigstellung des Saumes. Ich habe den Saum zunächst mit der Overlock versäubert.
Dann lege ich die Nahtzugabe nach innen und stecke sie fest.
Bevor der Saum genäht wird, macht man noch eine letzte Anprobe um zu prüfen, ob der Saum irgendwo nach oben zieht.
Durch die verlängerte Saumzugabe ist es möglich, eine abschließende Korrektur vorzunehmen. Bei meinem Rock wurde der hintere Saum um 1 cm verlängert.
Sobald alles in Ordnung ist, kann man den Saum nähen.
Ich habe den Saum in diesem Fall mit der Hand genäht, um eine Steppnaht von der Coverlock- oder Zwillingsnadel auf der Stoffoberfläche zu vermeiden.
Nach dem Nähen bügele ich den Rock in Form, damit er schön aussieht. Das Bügeln glättet die Nähte und verleiht dem Stoff mehr Form.
Ganz herzlichen Dank für diese ausführliche, gut verständliche und kostenfreie Erläuterung!
Jetzt traue ich mich an das Projekt.
Danke für die super Erklärung! Habe viele Nähschritte besser verstanden!